Die Straße zwischen Riedern a. S. und Erzingen nach dem Unwetter. Bild: Gemeinde Klettgau
Die Straße zwischen Riedern a. S. und Erzingen bei der „Hazienda“ nach dem Unwetter. Bild: Gemeinde Klettgau

Region Klettgau (hüf) Fast vier Jahrzehnte ist es her, als die Region Klettgau von einem verheerenden Hochwasser heimgesucht wurde. Hierzuland.info erinnert an das Geschehen vor 38 Jahren.

Der 23. Juni 1975 war ein ganz normaler Sommertag. Im Norden Deutschlands hatten die Schulferien mit Verkehrsstaus begonnen, der CDU-Vorsitzende Helmut Kohl machte sich auf, Kanzler zu werden und Dietrich Thurau war gerade Deutscher Meister der Radfahrprofis geworden. Statt strahlendem Sonnenschein herrschte Treibhausatmosphäre im Land. Nach tagelangen Regenfällen war es bei Temperaturen zwischen 20 und 25 Grad schwül, bewölkt oder gar neblig.

Gegen Abend kam das zweite Unwetter

In diesem feuchtwarmen Klima zogen an jenem Montagmorgen dunkle Gewitterwolken auf. Kurz nach acht Uhr öffnete der Himmel dann seine Schleusen über dem östlichen Landkreis. 40 Minuten später löste der Kreisbrandmeister zum ersten Mal an diesem Tag Katastrophenalarm aus. Vom früheren Zollausschlussgebiet war ein Unwetter über Dettighofen, Riedern a. S., Weisweil, Grießen und Geißlingen mit katastrophalen Folgen hinweg gezogen.

Am Mittag glaubte der eilig nach Jestetten einberufene Krisenstab die Naturgewalten im Griff zu haben. Doch dann kam die Meldung, dass der Schwarzbach in Grießen innerhalb weniger Minuten über die Ufer getreten war. Erneut wurde Katastrophenalarm ausgelöst. Doch damit nicht genug. Gegen Abend ging es noch einmal los. Ein weiteres Unwetter zog mit heftigem Gewitter über die bereits stark betroffenen Orte hinweg. Feuerwehr, Rotes Kreuz, Technisches Hilfswerk und Polizei hatten an diesem Tag alle Hände voll zu tun. Es mangelte dabei hauptsächlich an Notstromaggregaten und Funkgeräten.

Gut 200 Helfer waren im Einsatz, um etwas Ordnung ins Chaos zu bringen, das noch über Tage hinweg anhalten sollte. Unterstützung erhielten sie dabei zum Beispiel von den Landfrauen aus Rechberg, die zum Putzeinsatz nach Grießen kamen oder Vereine aus Erzingen in Weisweil beim Aufräumen halfen. Oberstufenschülern des Klettgau-Gymnasiums Tiengen fanden sich ebenfalls ein, aber auch die Bundeswehr war zeitweise mit 50 Mann anwesend. Am Dienstagabend nach dem Unwetter rückten jedenfalls die meisten freiwilligen Helfer wieder ab. Die hatten es teils mit Hunderten von Schaulustigen zu tun. Teilweise griff die Polizei ein, damit sie die Aufräumarbeiten nicht behinderten.

Rettung in lezter Minute in Weisweil

Eine Scheune in Weisweil, die das zweite Hochwasser zerstörte. Bild: Gemeinde Klettgau
Eine Scheune in Weisweil, die das zweite Hochwasser zerstörte. Bild: Gemeinde Klettgau

In Jestetten war unter anderem die Realschule überflutet, in Dettighofen hinterließ das Unwetter Hagel, der bis zu einem Meter hoch in Wohnzimmern lag und in dem nicht nur im Schweizerischen Buchenloh Rinder und Schweine erstickten und erfroren. Bühl, das am Berg liegt, blieb weitgehend verschont. Das Unwetter wanderte weiter nach Riedern a. S., unterbrach hier die Straßenverbindungen zur Außenwelt.

In Weisweil kam noch eine Windhose hinzu, die 50 Ar Wald zu Boden drückte. Außerdem stürzten Stallungen ein, gaben Häuserwände den Wassermassen nach. Überall entwickelten sich kleinere Bäche zu reißenden Flüssen und sorgten für enorme Schäden entlang ihres Verlaufs. In Geißlingen waren vor allem Ernteschäden zu beklagen.

Mit dem Schrecken kamen einige der etwa 16 000 betroffenen Einwohner davon. In Riedern a. S. konnte sich ein Mann an einer entwurzelten Tanne klammern, bis er schließlich nach zwei Stunden gerettet wurde. In Weisweil entkam ein Mann ebenfalls nur mit viel Glück den reißenden Fluten.

15 bis 20 Millionen Mark Sachschaden lauteten noch am Abend des Unglückstags die Schätzungen, zwei Tage später war bereits von 50 Millionen die Rede. Alleine für Klettgau wurden die Schadensumme auf 9,3 Millionen Mark geschätzt. Alleine die Gemeinde kam auf eine Summe von 2,5 Millionen Mark, Privatpersonen auf vier Millionen Mark und die Landwirtschaft auf 820 000 Mark.

Zwei Wochen lang gestörtes Telefonnetz

Abgetriebene Landmaschinen und Autos, unterspülte Brücken, entwurzelte Bäume, zerstörte Asphaltdecken gehörten über Tage hinweg zum Bild in den betroffenen Orten. Überflutete Keller, ausgelaufene Öltanks, vernichtete Warenbestände bei Betrieben, eine unterspülte Bahnstrecke der SBB, Schäden auf den Äckern und in den Gärten, ertrunkenes Vieh, weggerissene Straßen und Brücken, so ließ sich des Ergebnis des Unwetters zusammen fassen.

„Die größte Unwetterkatastrophe seit Menschengedenken“, so formulierte es ein Feuerwehrmann aus Klettgau, was sich während weniger Stunden vor allem im Zentrum des Katastrophengebiets, dem Klettgau, abgespielt hatte.

Zerstörte Straße unterhalb von Bühl. Bild: Gemeinde Klettgau
Zerstörte Straße unterhalb von Bühl. Bild: Gemeinde Klettgau

Dazu kamen Unterbrüche im Strom und Telefonnetz sowie Probleme bei der Wasserversorgung. In Weisweil war Schmutzwasser bei der Pumpstation für das Trinkwasser aufgestaut, das das Technische Hilfswerk abpumpte und die Feuerwehren füllten den Wasserbehälter ständig nach.

Erst zwei Wochen später war das Telefonnetz notdürftig geflickt. Die Wassermassen hatten die Kabel frei gespült oder abgerissen, Telefonzellen beschädigt. Nach und nach meldeten Gemeinden wie Eggingen, Ühlingen-Birkendorf und Hohentengen ebenfalls beträchtliche Schäden. So schoss das Wasser über den Kalten Wangen, spülte Schutt auf Wiesen und Äcker und zerstörte Wege.

Landtag berät über Hilfe

Wirtschaftsminister Rudolf Eberle, MdB Georg Kiesinger, Landrat Norbert Nothelfer und die gesamte CDU-Prominenz aus dem Landkreis sahen sich fünf Tage nach dem Unwetter auf einer dreistündigen Tour durch Klettgau und Dettighofen um. Sie wollten sich ein Bild von den Unwetterschäden machen und sprachen auch mit Bürgern. Dabei gewannen die Politiker den Eindruck, „tröstlich sei in all dem Elend die überraschende Nachbarschaftshilfe gewesen, die man in solcher Intensität schon lange nicht mehr erlebt habe“.

Besonders gravierend erwies sich die Frage nach Leistungen durch Versicherungen. Während die Gebäudeversicherung Hochwasserschäden übernimmt, hatten Haushalte ohne Spendengelder kaum eine Chance auf Hilfe. Die Hausratversicherung deckte nämlich nicht die Hochwasserschäden ab.

Das Feiern verging den Betroffenen, sie hatten andere Sorgen. So beging die katholische Kirche in Grießen ihr Patrozinium vier Tage nach dem Unwetter mit einer schlichten Feier. Die Prozession durch den Ort entfiel ebenso, wie auch andere in dieser Zeit geplante Veranstaltungen abgesagt wurden, zum Beispiel die Sportwoche des FC Grießen, damit die Mitglieder bei den Aufräumarbeiten im Ort helfen können. Ebenso fiel in Erzingen das Schwimmbadfest aus und in Baltersweil das Fest zum 75-jährigen Bestehen des Männerchors.

Die Hilfsbereitschaft für die Hochwasseropfer war damals recht groß. Die Gemeinden Jestetten und Lottstetten richteten unter dem Stichwort „Aktion Hochwasser“ ein Spendenkonto für Betroffene in Dettighofen ein und stellten Gelder aus ihrem Haushalt zur Verfügung. Die CDU-Kreistagsfraktion rief die Kommunen zu Spenden auf und Waldshut-Tiengen sagte zum Beispiel trotz angespannter Haushaltslage 3 000 Mark zu, St. Blasien und Häusern leisteten ebenfalls Spenden.

Insgesamt gingen auf dem Sonderkonto weit über 100 000 Mark ein. Der Landkreis stellte 100 000 Mark zur Verfügung. Aus dem kommunalen Förderprogramm versprach er 500 000 Mark für die Gemeinden, weitere 250 000 Mark für die Landwirtschaft. Die eigenen Straßen sollten mit über 130 000 Mark repariert werden. Gut eine Woche nach dem Naturereignis beschloss das Kabinett, im Landtag über Hilfe für die Opfer zu entscheiden. Zuschüsse und zinsgünstige Kredite sollten vor allem für Unternehmen bereit gestellt werden.

Hilfsgelder fließen bald

Über eine Woche nach dem Unwetter schaltete sich dann der Badische Landwirtschaftliche Hauptverband (BLHV) ein, um die Schäden der Landwirte zu ermitteln. Außerdem forderten sie Sondermittel vom Land für die Ernteausfälle. Mitte Juli richtet die Caritas ein Sonderkonto „Unwetterhilfe Landwirtschaft“ auf Drängen des BLHV ein, mit dem ausschließlich die Schäden gemindert werden sollen, die keine Versicherung deckt. Vereine führten Sammlungen bei Veranstaltungen durch und am Schwyzertag in Tiengen wurde gesammelt, das Rote Kreuz forderte zu Sachspenden auf.

Ende Juli wurden dann die ersten Hilfsgelder vom Landratsamt Waldshut ausbezahlt.

 

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